September 17, 2007

Fränzi Gissler und Kurt Scherrer sind beim GTR 2007 als bestes Schweizer Team unter die Top Ten in der Kategorie Mixed gelaufen.

Zu Fuss quer durch die Alpen – und nochmals hautnah dabei…

Hier können Sie die Erlebnisse meiner Teilnahme am achttägigen Gore-Tex Transalpine Run von Oberstdorf (Deutschland) quer über die Alpen nach Latsch (Italien) Tag für Tag nachlesen. 

Ich wünsche Ihnen viel Vergnügen, dieses Abenteuer nochmals hautnah mitzuerleben…

Herzlichst,

Ihre Fränzi

Die letzten Tage vor dem Rennen…

Arbeit als Ablenkung

Die Stunden vor dem Transalpine Run rinnen nun davon wie die Rinnbäche des Regens in den letzten Tagen hier in Magglingen. Ich habe meine letzten Tage vor dem Rennen arbeitsmässig im Bernischen Jura verbracht, was eigentlich eine ganz gute Ablenkung war. Dass es übermorgen am Samstag so richtig losgeht, scheint mir im Moment zwar noch etwas realitätsfremd. Irgendwie sind die zu überwindenden Bergpässe noch weit weg. Ein gemütlicher, anderthalbstündiger Lauf am Mittwochabend war meine einzige wirkliche sportliche Betätigung diese Woche, obwohl ich die Tage an der Hochschule für Sport verbracht habe… 

Batterien aufladen

Aber diese ruhige Taperingphase vor so einem langen Rennen ist wichtig, um die notwendige (zumindest körperliche) Ruhe zu geben. Gutes Essen, verglichen zu den letzten Monaten relativ viel Schlaf und fast kein Training hatten aber neben der Ressourcenschonung einen Nebeneffekt: Mein Körper war nicht mehr müde, da er nicht belastet wurde und somit war um 05.00h für mich meist tagwach. Nun gut, ich werde ab Samstag noch genügend müde werden.

Letzte Teamsitzung auf der Hinreise nach Oberstdorf und der Challenge mit dem Gepäck

Morgen werde ich direkt hier von Magglingen/Biel mit dem Zug nach Oberstdorf reisen und unterwegs wird auch Kurt, mein Laufteampartner, in Winterthur zusteigen. Dies lässt uns noch Zeit, um im Zuge die letzten Vorbereitungen zu besprechen. Wer nimmt was in den Laufrucksack? Welche Kleider werden wir wettermässig gebrauchen? Bekommen wir alles Material wie Schlafsack, Isomatte, Ersatzkleider und -schuhe, Sportnahrung etc. in die eine Tasche, welche vom Organisator in Normgrösse zur Vefügung gestellt wird? Denn ich muss sagen, dass ich noch schwach geworden bin und meine Daunenjacke für nach dem Rennen doch noch eingepackt habe. Man weiss ja nie.

Rennstrategie

Kurt und ich wollen die ersten drei Tage ganz gemütilch angehen, was das Tempo anbelangt. Wir werden versuchen, unsere Batterien möglichst lange zu schonen. Anstrengend genug wird es ohnehin. Dann werden wir versuchen, die restlichen Tage möglichst gut durchzustehen, was das bei einem solchen Rennen immer heissen mag. Ein achttägiges Berglaufrennen wird seine eigenen Regeln und Gesetze haben und es kann viel passieren unterwegs. Darauf bin ich ehrlich gesagt selbst gespannt: Physisch, mental und auch teamintern. Ankommen ist unser Ziel. Ich freue mich jedenfalls auf das Rennen. Gut dass es los geht, denn dann kann ich wieder länger als bis um 5 Uhr schlafen…

Herzlichst,
Fränzi

Tag 1: Oberstdorf – Steeg

Samstag, 1. September 2007

Vertikaldistanz:
1496 Höhenmeter im Aufstieg
1185 Höhenmeter im Abstieg.

Horizontaldistanz:
28,90 Kilometer

Unsere Laufzeit:
3 Std 58′

Rang: 20 (Mixed Teams)

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Liebe Leserinnen und Leser,

Die Nacht zum Tag… und zum Regen

Nach einer mehr oder weniger ruhigen Nacht (240 Leute in einer Turnhalle) am Morgen um 7.00h: Bindfäden hat es geregnet. Na gut, der Start war erst um 11.00h angesagt, somit hatte der Regen noch Zeit zum aufhören. Das tat er dann auch und so standen Kurt und ich vor der Startlinie mit 179 anderen Teams aus sage und schreibe 28 Nationen. Es hatten sich noch etliche Teams kurzfristig angemeldet und somit sind nun, um einige Länder zu nennen, auch Chilenen, Südafrikanerinnen, Norweger und sogar ein Team aus Bermuda mit dabei. Spannend wird es werden – für alle, egal woher sie kommen.

Highway to hell aber mit der Ruhe und mit viel Wasser

Der Start Countdown läuft und Highway to hell“ von ACDC wird eingespielt… Felstreppentritte schon und dann aber bitte in die andere Richtung. Gegen den Himmel zu ist mir da schon lieber, denn es soll kein Höllenritt werden – zumindest nicht schon am Anfang. Kurt und ich gehen das Ganze ruhig an und lassen den Ungestümen den Vortritt. Schon bald geht es von sanften Fahrwegen zur richtigen Sache des Trailrunnings: Ab und auf über Bergwege hinauf zum „Mädelejoch“, welches 1973 m.ü M. liegt. Wir haben einen schönen und gleichmässigen Rhythmus und so kann ich die Landschaft nun richtig geniessen. Wir folgen lange einem wunderschönen Fluss der weiter oben in einen wildrauschenden Bergbach übergeht. Wir aber müssen ebenso oft über kleine Bergbächlein springen und manchen Balanceakt vollziehen. Graziles, tänzerisches Laufen ist also gefragt, damit die Füsse trocken bleiben. Beim Hinunterlaufen ist äusserste Vorsicht geboten, da der Regen der letzten Zeit den Boden gesättigt hat und die Steine eine ziemliche Rutschpartie sind. Unterdessen hat es wieder leicht gerieselt, aber alles halb so wild. Die Verhältnisse sind eigentlich sehr angenehm zum Laufen.

Endlich wieder laufen!

Nach einer Woche fast ohne Bewegung (Taperingsphase vor einem Wettkampf) war ich richtig froh, heute wieder laufen zu können. Ich laufe nämlich für mein Leben gern und das kann ich hier eine ganze Woche lang tun (na ja, wahrscheinlich bekomme ich per Ende Woche dann schon noch genug davon). Meine Beine fühlen sich gut an und wir laufen locker. Wenn es zu steil wird, gehen wir in zügigem Schritttempo. Nach einem zweiten langgezogenen Anstieg kommen Kurt und ich knapp unter 4 Stunden in Steeg an. Unser Ziel ist es in Latsch gesund anzukommen. Ein Schritt in diese Richtung ist gemacht, aber es werden noch viele harte Tritte auf uns warten. Nun sind wir aber glücklich und zufrieden, dass wir die erste Etappe so gut überstanden haben.

Fazit des Tages

Die Einstiegsetappe ist gelungen. Die Beine und Füsse sind noch gut beeinander und wir fühlen uns so weit ok. Das liegt auch daran, dass wir gerade nach dem Zieleinlauf ins Bad von Steeg konnten und uns durchsprudeln lassen konnten. Eine Wohltat! Aber deshalb hat es auch ein wenig länger gedauert, bis dieser Bericht entstanden ist. Ich habe das Stretching auf nach dem Abendessen verschoben, damit ich die Zeilen noch schreiben kann. Und dann ist noch der Internetdienst im Race Office zusammen gebrochen. Improvisation ist gefragt: In einem Hotel bin nach insistentem Nachfragen an den Hotelcomputer gelassen worden… Wir hoffen morgen auf einen weiteren guten Tag und lassen uns überraschen, was die Bergwege bringen…

Bis morgen!
Herzliche Grüsse,
Fränzi

Tag 2: Steeg – St.Anton

Sonntag, 2. September 2007

Vertikaldistanz:
1947 Höhenmeter im Aufstieg
1785 Höhenmeter im Abstieg

Horizontaldistanz:
29,73 Kilometer

Unsere Laufzeit:
4 Std 01′

Tages-Rang: 16 (Mixed Teams)
Total-Rang:  19 (Mixed Teams)

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Liebe Leserinnen und Leser,

Gut geschlafen und einrollendes Einlaufen, um ein wenig mehr Gas zu geben

Die heutige Nacht im Athletencamp war einiges angenehmer, als die letzte: untergebracht waren wir in einer Gruppe von ca. 40 Leuten im Kindergarten von Steeg. Geschlafen habe ich fast wie ein Murmeltier und Kurt ist es nicht anders ergangen. Pünktlich um 7.45h sind wir wieder mit allen anderen am Start versammelt und haben aufgrund unserer gestrigen Leistung im ersten Startfeld Platz nehmen dürfen. Dies macht die Sache einiges angenehmer, da man vorweg seinen eigenen Rhythmus laufen kann. Der erste langgezogene Aufstieg ist angenehm zum Einlaufen und lässt dem „Motor“ Zeit zum warm werden. So geben wir beim ersten richtigen Anstieg im Berggelände ein wenig mehr Gas als gestern, aber immer noch schön in unserem Tempo. Wer aber meint, dass alle Läuferinnen und Läufer verbissen sich den Berg hoch kämpfen, liegt eher falsch. Unterwegs wird hier und dort ein Wort gewechselt. Von wo man denn kommt und was man denn sonst so im Leben macht – neben dem Laufen natürlich. Das ist das angenehme an Langdistanzrennen, dass hierfür noch Zeit ist.


Schlamm und Bergsteige – gut durchgekommen auch dank dem guten Material von Salomon

Die heutige Etappe war geprägt von unterschiedlichsten Bedingungen zum Laufen: Die ersten 12 Kilometer waren geprägt von rutschigem und manchmal knöcheltiefem Schlamm. Hier wurden unsere wasserdichten Laufschuhe aufs Härteste geprüft. Ein richtig herrliches Gefühl mit trockenen Füssen hoch zu kommen! Auch das sonstige Material von Salomon ergänzt unsere physische Kondition optimal. Bei einem anspruchsvollen Berglauf gibt es kein Pardon: hier muss alles stimmen. Weiter oben auf 2400 m.ü. M. erwarten uns sehr anspruchsvolle Bergwege, die z.T. sehr abschüssig sind. Wer hier nicht schwindelfrei ist, hat also noch mit ganz anderen Sachen zu kämpfen, als nur mit der Distanz und den Höhenmetern.

Verpflegung do it yourself perfekt organisiert: Wie es an einer Verpflegungsstelle zu und her geht…


Kurt und ich haben ein gutes System zur Verpflegung unterwegs entwickelt: Kurt trägt einen kleinen Laufrucksack mit Wasser, Energiestengeln und dem vorgeschriebenen Kleidermaterial (Regenjacke, Isolierschicht, Mütze und Handschuhe sowie eine Rettungsdecke, Notfallapotheke und Kartenmaterial). Die von mir zu Hause abgepackten Kohlenhydratbeutel kann ich dann an einer Verpflegungsstation in den Bidon leeren und frisches Wasser dazugiessen. Nun der ganze Ablauf vor einer Verpflegungsstelle, deren zwei es heute auf der Strecke hatte: Da Kurt schon zwei Mal am Transalpine teilgenommen hat, ist er bestens orientiert über die Strecke und weiss, wo die Verpflegungen sind. Vor der Station besprechen wir, was wir auffüllen müssen (Wasser, Iso etc.) und wer auch einmal gerade dort austreten muss. An der Kontrollstelle und Verpflegungsstation angelaufen wird man zuerst registriert, Kurt geht Wasser auffüllen, ich renn hinter einen Baum, komm zurück, pack mir ein paar Nüsse und einen Schnitz Orange und fülle den Kohlenhydratbidon. Der ganze Zauber dauert 2-3 Minuten und dann sind wir schon wieder fort. Es ist eigentlich erstaunlich, wie wenig man auf einer solchen Tour unterwegs braucht (dafür wird im Ziel und am Abend wieder aufgefüllt.

Fazit des Tages

Die Strecke war heute anspruchsvoll, trotzdem sind Kurt und ich wieder gut in St. Anton angekommen. Der lange Abstieg nach St. Anton gingen wir vorsichtig und bewusst langsam an, um Muskulatur und Gelenke zu schonen. Es werden noch genug Strapazen auf diese zukommen in den nächsten Tagen… Da wir bereits um 12h im Ziel angekommen waren (Start war um 8h), genossen wir den heutigen Nachmittag mit Stretching an der Sonne (herrlich!!), Sprudelbad und Massage. Wir fühlen uns für die morgige Etappe soweit gewappnet. Das ist auch besser, denn morgen wartet eine der strengsten Etappen auf und mit 2400 Höhenmetern. Ich habe das Gefühl, dass dort das Rennen eigentlich erst richtig beginnen wird und so habe ich einen riesen Respekt vor dem, was noch kommen wird. Wir sind in der Wertung noch ein wenig vorgerutscht und so ist uns der erste Startblock morgen wieder sicher. Der Start ist morgen schon um 7h in der Früh wegen schlechten Wetterprognosen. Deshalb steigen wir morgen hoffentlich einigermassen frisch um 5h aus den Federn. Early birds.

Bis morgen!
Herzliche Grüsse,
Fränzi

Tag 3: St.Anton – Galtür

Montag, 3. September 2007

Vertikaldistanz
2437 Höhenmeter im Aufstieg
2134 Höhenmeter im Abstieg

Horizontaldistanz:
32,97 Kilometer

Unsere Laufzeit:
5 Std 59′

Tages-Rang: 16 (Mixed Teams)
Total-Rang:  17 (Mixed Teams)

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Liebe Leserinnen und Leser,

Von verschiedenen Kulturen und Mentalitäten und Sitten

Der heutige Tag begann wie angekündigt früh. Nachdem uns ACDC mit dem anscheinend obligaten “Highway to hell“ auf die heutige Etappe schickte, war bald klar, dass es heute zur Sache ging. Ein langer Aufstieg zum Kuchjoch auf 2700 m.ü.M. wartete auf uns. Auf den ersten Kilometern haben wir eine ziemlich lebhafte Gruppe um uns und v.a. die Läufer von Havanna bieten Unterhaltung vom Feinsten. Sie schwatzen und lachen und machen Witze. Bald stecken sie alle an und plötzlich habe ich das Gefühl, eigentlich auf einer grossen Schulreise zu sein. Die verschiedenen Kulturen und Mentalitäten kommen je länger desto mehr auf dem Transalpine Run zum Vorschein. Neben mir kommt die Frage „Noa, woas moachen denn heute die Hoaxen?“ – unverkennbar, in welchem Land wir uns noch aufhalten. Die Schulreisegruppe wird langsam zu einer verschworenen Gemeinschaft und man hilft sich, soweit es geht.

Höhenmeter und schwierige Trails und die erste Krise

Kurt und ich liefen wiederum unser Rhythmus. Der Weg war ziemlich alpin und technisch sehr schwierig, aber wir waren gut unterwegs. Den Berg hoch laufen ist mein Ding definitiv. Das geht einfach gut – es geht eigentlich wie von selbst. Wir überholen einige Teams, doch ich weiss auch, dass es wieder runter gehen wird. Und das Bergablaufen ist wiederum nicht meine Lieblingsdisziplin, aber gehört halt dazu. Vor dem Passübergang waren einige Passagen mit Fixseilen zu durchqueren, was uns keine eigentlichen Probleme machte, ausser, dass da noch ein paar Touristen mit Rucksack drin hingen…. also aussen rum und mit ein paar Klettergriffen entledigten wir uns diesem Engpass ziemlich chic. Oben ging´s dann eben runter. Und wie – der absolute Hammer. Die Beine beginnen zu schmerzen und insbesondere der Quadrizeps leidet Höllenqualen (da war der Höllenritt also doch!). Ich bekomme langsam auch ziemlichen Hunger, aber beim Bergablaufen ist da keine Chance, etwas zu essen. Die Verpflegungsstation unten im Tal war wohl etwas zu lange und so habe ich einen kleinen Hungerast. Dort esse ich ein Käsesandwich, Trockenfrüchte und trinke Bouillon. Und weiter geht´s. Dieser Einbruch braucht eine Zeit, bis ich ihn überwunden habe und ich habe meine erste Krise. Nachdem wir die 1000 Höhenmeter runter gerannt sind geht´s nun wieder hinauf – grad noch einmal auf 2600 m.ü.M., weil’s halt so schön war. Beim Bergauflaufen erhole ich mich und ich kann die wunderschöne Bergwelt wieder geniessen. Kurt verpflegt mich hervorragend. Dann warten noch einmal 1200 Höhenmeter „zur Vernichtung“ und zwar gerade hinunter nach Galtür. Und wenn ich schreibe „gerade“, dann war das eigentlich so die Falllinie. Die Beine leiden ein weiteres mal und die Muskulatur beginnt sich zu verkrampfen. Heute war es definitiv der härsteste Tag und im Ziel war ich ziemlich nudelfertig.

Fazit des Tages

Hart und lang war es heute. Insgesamt fast 6 Stunden waren wir unterwegs. Aber es ist auch nicht an anderen spurlos vorbei gegangen: Etliche Teams schieden heute aus und heute Abend, Sie können mir glauben, laufen viele nicht wie Rehlein an der Pasta-Party umher. Ich habe mich wieder einigermassen erholt. Die Beine sind nicht superfrisch, aber ok. Nun hoffe ich auf einen guten Schlaf, denn morgen wartet der Marathon über die Originaldistanz auf uns. Aber er wird uns nach Scuol führen und somit zu mir heim. Zu allem haben sie Schneefall vorausgesagt. Eine weitere Hürde und Energiefresser warten damit also auf uns. Ich freue mich schon auf Nicole, meine Kollegin und Physiotherapeutin, die mir versprochen hat, sich meiner Beine anzunehmen. Ein gutes Team bringt einem über (fast) alle Berge – Kurt und ich haben es heute bewiesen.

Herzlichst
Fränzi und Kurt

Tag 4: Galtür – Scuol

Dienstag, 4. September 2007

Vertikaldistanz:
1844 Höhenmeter im Aufstieg
2239 Höhenmeter im Abstieg

Horizontaldistanz:
42,195 Kilometer

Unsere Laufzeit:
4 Std 26′

Tages-Rang: 8 (Mixed Teams)
Total-Rang: 15 (Mixed Teams)

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Liebe Leserinnen und Leser

Von Elefanten, Steinböcken und über Training, das sich auszahlt

Es nahm mich ja wunder, wie ich heute aufstehen würde, nachdem ich gestern ziemlich gelitten hatte und nach dem Zieleinlauf wie ein Elefant herumgestampft war. Überaus erstaunlich stand ich auf und – spürte fast nichts. So konnte ich auch meine schwere Tasche von der Unterkunft zum Abtransportdienst tragen, was mir gestern nur schon in Gedanken daran Bauchweh bescherte. Am Frühstücksbuffet im Gemeindehaus von Galtür sah man dann aber das wahre Gesicht des Tages bzw. der Beine. Es gibt LäuferInnen, die laufen etwas steif, aber normal und es gibt andere, die ächzen nur schon, wenn sie vom Stuhl aufstehen müssen. Ihr Gang tut schon beim Zusehen weh. Keine Ahnung, wie sich solche Läufer auf die heutige Strecke begeben. Mir waren heute Beine gegeben, das war die reine Freude. Vielleicht war es die Engadiner Luft, die wir mit jedem Kilometer mehr riechen konnten, vielleicht waren es die Wetterbedingungen (mehr dazu später), vielleicht die gute Pasta von gestern Abend oder die 7 ½ Stunden qualitativ guten Schlaf wie zu Hause. Ich denke es hat aber auch mit dem Training zu tun, welches sich jetzt langsam auszuzahlen beginnt. Das Gewichtsrucksacktraining hat mir wirklich viel Kraft gegeben und das Bergauflaufen strengt mich nur wenig an. Kurt und ich haben ein Tempo, wie mit einer Zahnradbahn: gleichmässig, ruhig und ausdauernd. Mit Training und Tempoeinteilung war heute leistungsmässig einfach ein sehr guter Tag und so laufen Kurt und ich wie die Steinböcke. Eigentlich passend zum heutigen Ziel in Scuol.

Die Wetterbedingungen waren hart – aber für uns Steinwild wie zugeschnitten

Gestern Abend wurden wir schon vorgewarnt, dass das Wetter für heute extrem schlecht gemeldet war. Eisige Temperaturen, Schneefall und Wind würden die Organisation im Extremfall sogar veranlassen, die heutige Etappe abzusagen und uns mit Bussen nach Scuol zu transportieren und am späten Nachmittag den Bergsprint von morgen vorzuziehen. So waren Kurt und ich mehr als erfreut, als die Etappe doch durchgezogen wurde. Wir wurden strengstens informiert, dass die Laufteams aus Sicherheitsgründen unbedingt zusammen bleiben müssten, sonst würde man ohne Wenn und Aber disqualifiziert. Die Strecke wurde zwar um 5 km verkürzt, aber wie vorgesehen das Jamtal hinauf über den Futschölpass auf 2760 m.ü.M. ins Engadin. Schon am Start in Galtür hatte es unter dem Regen schon leichter Schneefall beigemischt. Nur ein paar hundert Höhenmeter hinauf begann es ziemlich zu schneien. Ich habe das persönlich sehr gerne zum Laufen. Die Steine auf dem Pass waren sehr rutschig und auf dem Passübergang hatte es 15cm Schnee. Dazu kamen heftige Windböen, wobei eine mich davon einmal fast umblies. Das Bergablaufen wurde heute zur halben Telemarkabfahrt. Kurt und ich fühlten uns in diesen Schneeverhältnissen extrem wohl (also eben doch so richtige Schweizer…). Auch der Matsch und Schlamm machte und Freude (also doch noch Kinder…), aber sicherlich im Wissen, dass wir heute Abend unsere Kleider bei mir zu Hause waschen können. So machten wir heute beim Bergauflaufen etliche Plätze gut und beim Bergablaufen verloren wir fast keine. Es war einfach schön. Trail Running von der besten Seite. Zum jauchzen – was wir auch taten…. Leid tun mir heute aber die Brasilianer, Südafrikaner und sonstige warm Wetter gewohnten Nationen. Die leiden wahrscheinlich heute wie ich bei 35°C und 90% Luftfeuchtigkeit.

Kurt – der Meister des fliegenden Wechsels

Kurt und ich entwickeln uns zu wirklichen Meistern im Wechsel unterwegs: Ob Trinkwasser, Früchtestengel, Stöcke oder den Rucksack, um die Jacke hinein zu stopfen– Kurt hat es griffbereit. Diese Materialübergaben passieren nicht im gemütlichen Schwatz beim Stehen, sondern im vollen Lauftempo. Geübt, gekonnt und jeden Tag ein wenig verfeinert. Da ist Kurt ein echter Juwel.

Ein warmer Empfang im heimischen Scuol und die Heimmassage

Es war natürlich besonders, nach Scuol ins Ziel zu rennen. Die Strecke weg von der letzten Verpflegungssation eine meiner Heimlauftrainigstrecken. Und da wir gut unterwegs waren, kann man so ein Heimspiel umso mehr geniessen. Schon unterwegs standen einige bekannte Gesichter am Strassenrand, was mich natürlich sehr freute. Besonders freute ich mich über Gianna Rauch (Gianna hat unser ganzes Management und Organisation unseres Teams betreut) und ihren beiden Töchtern am Strassenrand mit Plakat. Was für ein schöner Empfang! Auch viele Mitarbeiter von Scuol Tourismus waren da mitsamt Urs Wohler, dem Tourismusdirektor. Das Interesse an Transalpine Run und am Laufsport in Scuol freut mich wirklich sehr. Nach dem Rennen kam dann Nicole, die befreundete Physiotherapeutin, zu mir nach Hause, um mich zu massieren. Ein Heimservice der Sonderklasse sozusagen – haben wahrscheinlich nicht viele der Läufer heute…

Fazit des Tages

Kalt, windig, streng und einfach saumässig gut. So könnte man den heutigen Tag beschreiben. So richtig abenteuerlich und streng, aber voll intensiver Erlebnisse. Wer nun aber denkt, dass des so weiter gehen wird, irrt: Sehr schnell kann sich das Blatt bei solchen langandauernden körperlichen Leistungen wenden und die Steinböcke haben wieder grosse Ohren und Füsse und lange Stosszähne… Heute sind Kurt und ich auf den 8. Rang gelaufen und haben uns auf den 15. Gesamtrang vorgeschoben. Ich bin aber vorsichtig und habe weiterhin viel Respekt vor dem, was noch kommen wird. Wir sind noch nicht in Latsch und bis dorthin ins Ziel ist es noch ein weiter Weg. Morgen wartet der Bergsprint auf uns – quasi noch ein Heimspiel auf die Skistation Motta Naluns. Da die Strecke nur 6km, aber mit 1000 Höhenmetern misst, ist hier Vorsicht geboten: Leicht überschätzt man sich und büsst die zu intensive Belastung in den nächsten Tagen dann ein. Kurt und ich verlassen unsere Strategie des „eigenen Rennens“ nicht und werden unser Tempo gehen.

PS: Dieser ausführliche Bericht kommt daher, dass ich nun bei uns zu Hause an den Computer kann. Ansonsten sind die Internetzugänge sehr schwer zu erkämpfen und die Zeit fehlt dann der Regeneration. Darum bitte ich Sie um Verständnis, wenn die Berichte weg von Scuol als Etappenort wieder kürzer werden…

Herzlichst,
Fränzi und Kurt

Tag 5: Bergsprint Scuol

Mittwoch, 5. September 2007

Vertikaldistanz:
936 Höhenmeter im Aufstieg
Abstieg mit der Bergbahn

Horizontaldistanz:
6,19 Kilometer

Unsere Laufzeit:
57′

Spezial-Sprintwertung: Rang 5 (Mixed Teams)
Tages-Rang: 3 (Mixed Teams)
Total-Rang:  8 (Mixed Teams)

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Liebe Leserinnen und Leser,

Scuol – das Trail-Running-Paradies

Ein erster Blick aus dem Fenster: das Trail-Running-Paradies Scuol zeigt sich in einem etwas anderen Kleid als erwartet (im Vorjahr drückten Temperaturen um die 30°). Heute dichter Schneefall und Motta Naluns, unser Ziel des Bergsprints, vom Tal nicht sichtbar. Nichtsdestotrotz, ein echter Outdoorsportler schätzt jedes Wetter. Hier ist der Kopf ebenso gefragt wie gute Beine: Schneefall und Wind können entweder als Gegner oder als herausfordernder Motivator und als faszinierende Launen der Natur positiv gesehen werden. Schon so oft war ich auf den vielen Wegen des Scuoler Laufmekkas unterwegs und schätze jedesmal von neuem die Andersartigkeit der Laufeindrücke – gegeben durch Jahreszeit, Wetterstimmungen und Tageszeit. Heute war die Wahrnehmung dieser Einflüsse wieder aufs Intensivste möglich! Der Bergsprint zeigt den Teilnehmern des Transalpine-Run nur eine kleinste Auswahl an der aussergewöhnlichen Vielfalt an spannenden und abwechslungsreichen Trails. Scuol und seine Umgebung ist eine Schatzkiste für Läufer, das definitiv zu entdecken ist, wer es nicht schon hat. Übrigens auch ein Geheimtipp von zahlreichen Transalpine-Runnern, welche die Landschaft, das Dorf und die Erholungsmöglichkeiten (Bogn Engiadina) zu schätzen wissen. Das perfekte Trainingscamp für den nächsten Transalpine Run ist – Sie werden es erahnen – in Scuol. Be there.

Aufhebung der 2-Minuten-Regel und die taktische Fehlüberlegung

Bekanntlich schreibt das Trailbook vor, dass die Kontrollposten innerhalb von 2 Minuten durch beide Laufpartner angelaufen werden müssen. Der Bergsprint vom alten Dorfplatz in Scuol auf die Motta Naluns bildet da eine Ausnahme: hier wird diese 2-Minuten-Regel aufgehoben, dass heisst, der Bergsprint wird wie ein gewöhnlicher Berglauf mit gestaffelter Startzeit: jedes Team erhält am Vorabend seine eigene. Die ersten  Teams –  aufgrund der Vortagesklassierung von hinten nach vorne gezählt –  starten um 10.00 Uhr; dann alle 30 Sekunden; wir sind um 11.05 Uhr an der Reihe. Wir gehen wie gewohnt unserTempo und laufen aus Teamgeist zusammen. Kurt und ich sind erstaunt, wir überholen viele der vor uns gestarteten Teams, nur einen Bergläufer müssen wir ziehen lassen. Das glitschige, rutschige Terrain ist unsere Stärke. Zwei-, dreimal rutschen aber auch wir leicht aus, können uns aber ohne grössere Zwischenfälle jeweils auffangen. So erreiche ich, ohne es anzustreben, die Motta Naluns in 57 Minuten die zweitbeste Zeit der Frauen insgesamt.

Nach Bekanntgabe der Resultate merken wir, dass wenn Kurt sein eigenes Tempo gelaufen wäre – er lief in den Vorjahren Zeiten von 48 und 49 Minuten – wir den zweiten oder dritten Platz in der Mixed-Kategorie erreicht hätten. Nobody is perfect – vor allem auch wir nicht.

Und es gibt sie doch, die Heinzelmännchen…  und  v.a. –frauen!

Nachdem wir mit der Gondelbahn (äusserst unglaublich schön – kein Bergrunterlaufen heute!) wieder in Scuol sind, treffen wir einen Journalisten von Radio Rumantsch für ein Radiointerview. Danach schnurstracks ins Bogn Engiadina Scuol wo wir unsere Haxen durchsprudeln lassen. Im Bad habe ich wiederum mit Nicole für eine Massage abgemacht. Sie findet meine Waden schon etwas „kieselig“ und mahnt mich zur Vorsicht. Eine Überbelastung kann schnell in eine Entzündung übergehen. Nach einer weiteren Wundermassage (mein Geheimtipp für alle müden SportlerInnen, die sich in den Ferien oder im Trainingslager eine fachkundige Massage leisten wollen: Nicole wohnt im höher gelegenen Nachbarsdorf Sent – und das Beste: sie macht die Massagen eben auch „outdoorlike“ draussen mit Ausblick übers Unterengadin… sie verzeihe mir ihre Namensnennung, aber es ist ja nur der Vorname, ausser das sie noch Guntern heisst…). Zum Abschied drückt mir Nicole noch eine Tasche mit Spaghetti und selbst gemachten Sugo für heute Abend in die Hand – eine wahre Engelsgabe, denn auf Kochen haben ich definitiv keine Lust. Solche Gesten, wie auch die ganzen Vorbereitungen von Gianna und die Unterstützung unserer Sponsoren sind ein grosser Teil von Kurt’s und meiner Leistung hier am Transalpine Run. An der Stelle hier einfach einmal ein Dankeschön an alle Personen die auch ungenannt beteiligt sind. Ebenso ein Sorry an meine Freunde, deren soziale Kontakte ich aufgrund meiner Kombination von Geschäftsaufbau und Training vernachlässigt habe und ein Merci an meine Familie, die mein manchmal ungestümes Herumsausen ertragen muss, wenn sie mich denn einmal zu Augen bekommen.

Fazit des Tages

Nach fünf Etappen dürfen wir feststellen: Es ist kaum ein Zufall, dass wir bergauf äusserst stark laufen. Das Unterengadin ist prädestiniert für längere und kürzere Trainingseinheiten und ist ein „Trail Runner’s heaven“. Der Bergsprint war der eigentliche Easy-Day dieser acht Tage, hatte es aber trotzdem in sich – belastungs- und wettermässig. Morgen verlassen wir das heimische Scuol und werden in Richtung Vinschgau ziehen. Am übernächsten Tag erwartet dann nach meiner Einschätzung die verbleibende Schlüsseletappe von Mals nach Schlanders mit dem Dach der Tour über 3000 m.ü.M. Da geht’s mächtig lang rauf und runter. Physische und mentale Kräfte sind gefragt. Kurt und ich werden uns diesen stellen müssen.

PS: Morgen wird der Text mit Sicherheit kürzer!…

Herzlichst,
Fränzi und Kurt

Tag 6: Scuol -Mals

Donnerstag, 6. September 2007

Vertikaldistanz:
1332 Höhenmeter im Aufstieg
1474 Höhenmeter im Abstieg

Horizontaldistanz:
37,02 Kilometer

Unsere Laufzeit:
4 Std 20′

Tages-Rang: 8 (Mixed Teams)
Total-Rang:  9 (Mixed Teams)

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Liebe Leserinnen und Leser,

Die grossen Felsen fangen an zu bröckeln und das Ausscheidungsrennen beginnt…

Heute war ein Tag, der viel im Rennen verändert hat: Der Nordföhn blies mit aller Kraft und wir hatten Schneefall und bis zu 40cm Schnee in den Schneeverwehungen. Wo kein Schnee oder Eis war, lag Matsch oder Schlamm. Ich war erstaunt, als ich unterwegs einen Hünen von einem Athleten überhole (ich kann mich bei ihm in voller Grösse locker in den Windschatten stellen) und sehe, dass er den Tränen nahe ist. Schmerzen ziehen sich über sein Gesicht und sein Lauf ist alles andere als leicht. Es ist nun Tag 6, wo anscheinend auch Felsen zu bröckeln beginnen… Kurt und mir geht es gut und wir ziehen in unseren gewohnten Laufschritt. Unterwegs sehen wir einige Teams, die entkräftet oder verletzt aufgeben müssen. Am Ziel erfahren wir, dass sogar die Leader raus sind. Unglaublich, was heute abging.

Laufstile – die Unterschiede sind frappant

Für mich war die heutige Anfangsstrecke von Scuol nach Sur En entlang des Inns ein gefundenes Fressen: Ich hatte so richtig Zeit (da es ein breiter Forstweg war), die verschiedenen Laufstile zu studieren. Dies ist ja mein Beruf und so war ich da voll absorbiert. Da gibt es alles. Von federleicht bis tonnenschwer. Und es zeigt sich: Wer einen stilistisch guten Laufstil hat und dadurch ökonomisch laufen kann, hat riesen Vorteile: Ob Geschwindigkeit oder präventiv für die Gelenke: der Profit ist frappant. Für mich ist ja dieses Rennen wie ein Selbstversuch: ich bin sehr kritisch mit mir selbst, wie ich laufe und wie sich der Stil über die andauernde Belastung auswirkt. Bis heute Abend kann ich sagen: Mein Laufstil und meine Laufphilosophie, wie ich sie auch in meinen Kursen und Seminaren weitergebe, geht bis jetzt voll auf und ich wär nicht da, wo ich jetzt bin und vor allem nicht in der Verfassung. Das Experiment geht also weiter…

Die Natur gibt alles

Die wunderschöne Uina-Schlucht haut mich mit ihrer Schönheit fast jedes mal wieder aus den Socken. Heute war´s besonders bizarr, da Eiszapfen die ganze Bergwand des Felsenweges säumten. Oben auf dem Slingia-Pass, der offen und weit ist, prallte der Wind mit voller Wucht auf uns. Vielleicht hört sich das irgendwie nicht ganz normal an, aber das ist es genau, was ich so mag: Schnee, Wind, Berge und die Natur, die Vollgas gibt. Da fühle ich mich einfach mitten im Leben und möchte gerade mit niemand anderem tauschen. Wahrscheinlich auch ein Grund, wieso ich in die Berge gezogen bin – oder vielmehr zu den Bergen hin…
Ein Läufer wünscht mir unterwegs „ah, die Fränzi, noa haut´s rein…“ – tun Kurt und ich denn auch. Runter ging´s heute wiederum durch den Schnee und nachher über Alpwiesen und kleine Trails ins Vinschgau runter. Zwar 1500 Höhenmeter „to kill“, aber für meine Beine war das Bergablaufen heute ok. Sie werden eigentlich von Tag zu Tag besser. Dank der Massage von gestern, dank dem Training und v.a. dank der Selbsteinschätzung. Ich habe das ganze Rennen keine Pulsuhr an und heute habe ich nicht einmal auf meinen Höhenmeter geschaut: Wenn´s rauf geht, geht´s rauf – wenn´s runter geht, dann runter und wenn´s fertig ist, dann sind wir am Ziel…

„Oa zoachs Madele…“

Heute lief es einfach wieder. Manchmal geht es wie von selbst – ohne zu denken, ohne zu keuchen, ohne sich wirklich anzustrengen. Da sind wahrscheinlich auch die Endorphine ziemlich am Wirken, aber heute war´s einfach genial. Ich habe den Eindruck, dass es mir, je länger es geht und je härter die Bedingungen sind, es besser geht. Im Ziel sagt mir einer, ich sei „oa zoachs Madele…“. Weiss ich nicht. Vielleicht ein wenig, aber ich glaube zu merken, dass der Unterschied darin liegt, dass ich meinen Körper gut kenne, nur gerade soviel von ihm verlange wie nötig und extrem ökonomisch laufe – und das wichtigste: ich bin niemals böse mit dem Wind oder dem Schnee – ich versuch mich da reinzugeben und das hört sich jetzt vielleicht etwas esoterisch (wo immer da die Grenzen zur Realität sein mag) an, aber ich versuch ein Teil davon zu werden. Und somit nimmt mich der Wind mit und das Rennen durch den Schnee wird zum Vergnügen. Und dazu: Der Humor ist uns nicht verloren gegangen – im Gegenteil: Heute haben wir ziemlichen Blödsinn im Kopf und Kurt und ich schwingen das Tanzbein bei der ersten Verpflegung.

Gut verpflegt

Kurt war heute wieder einmal immer zur Stelle, wenn ich etwas brauchte. Und heute wusste ich, dass ich viel essen muss, wenn es kalt ist. Sowieso flattert schon langsam die Grösse XS an mir und dann haue ich bei der zweiten Verpflegungssation rein: Der Hüttenwart bringt und Rohschinken, ich trinke eine Bouillon gemischt mit Iso und esse gesalzene Nüsse und Weinbeeren. Man wird immer wieder gefragt, was man denn so isst unterwegs. Alle wollen das Geheimrezept. Ich kann Ihnen sagen: Ich esse total normal und v.a. qualitativ hochstehende natürliche Nahrung, bis auf vielleicht das Kohlenhydratgetränk. Ansonsten esse ich, was mein Körper verlangt. Auch hier ist das Körpergefühl wiederum entscheidend. Sonst ist mein Magen eine Schwachstelle von mir. Bis jetzt hatte ich aber keine Probleme (Holz anlangen!). Drei Geheimtipps, die ich preisgebe: Erstes Geheimrezept sind die „Bastuns“ vom Hotel Traube in Scuol: Selbstgemachte Nussstangen, die einem die Berge nur so hochtragen. Und einfach der Hammer gut. Zu kriegen sind sie nur in der Traube selbst. Nr. 2: Natur-Powersportriegel vom Meierbeck aus dem Münstertal. Gut, pur und voller Graubündner Energie.. Geheim-Rezeptnr. 3: Babybrei-Früchtehaferflocken-Gemisch aus dem Plastiksack und aus dem Schlafsack nach dem Rennen zu essen. Füllt die Speicher für den nächsten Tag.

Das Athletencamp

Nur kurz, wer sich schon gewundert hat, wo und wie Kurt und ich denn nächtigen: Wir sind im Athletencamp mit Isomatte und Schlafsack (Scuol war natürlich bei mir zu Hause eine Luxus-Ausnahme im eigenen Bett. Wunderschön, bei Mozart aufzuwachen und nicht mit 200 Handygepiepse mit den unmöglichsten Klingeltönen!…). Mittlerweile dezimiert sich ja die Anzahl der Läufer, aber es sind immer noch etwas 200 Personen, die heute z,B. in einer Tennishalle schlafen. Für mich ist das total ok. Ich kann da gut abschalten und die Käseglocke über mich ziehen, d.h. etwas mental von dem Gewimmel Abstand nehmen. Es ergeben sich viele interessante Gespräche, die man im Hotel nicht hätte. Und dann ist es einfach ein Gaudi, 200 Paar nasse Laufschuhe und noch einmal so viele Kleider überall aufgehängt zu sehen und die Läufer, die darin schlafen. Ein riesen Durcheinander.

Fazit des Tages

Einfach wild und schön. Laufgenuss pur obwohl die Strecke nicht 37km, sondern fast wieder 40km war. Ohne grosse Probleme (bis auf einen Sturz von mir, der glimpflich ablief) sind wir in Mals angekommen. Der Körper ist ein kleines Wunder: er gewöhnt sich an solche Belastungen, wenn man ihn nicht überfordert. Irgendwie eine neue Dimension. Kurt und ich sind heute gut gelaufen. Wir sind, glaube ich, weit nach vorne gelaufen, aber ich habe noch keine Rangliste gesehen. Ist mir auch ein bisschen Wurst, denn ich will einfach heil ankommen. Was mich aber erstaunt und ehrlich fast ein bisschen erschreckt hat, ist, dass wir nach dem 12. Männerteam reingelaufen sind. Irgendwie irritierend. Morgen wird´s hart. Wie gesagt, ich vermute die Schlüsseletappe und es kann nochmals viel passieren. Kurt und ich müssen aufpassen. Ich habe grossen Respekt vor morgen.



Herzlichst,
Fränzi und Kurt

Tag 7: Mals – Schlanders

Freitag, 7. September 2007

Vertikaldistanz:
2004 Höhenmeter im Aufstieg
2339 Höhenmeter im Abstieg

Horizontaldistanz:
34,51 Kilometer

Unsere Laufzeit:
5 Std. 31′

Tages-Rang: 8 (Mixed Teams)
Total-Rang:  8 (Mixed Teams)

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Liebe Leserinnen und Leser,

Nachtrag zu gestern:

Kurt und ich sind in der Etappe 6 in für mich fast unglaublichen 4 Std. 20 über (fast) die Marathondistanz auf den 9. Rang gelaufen und haben uns im Gesamtklassement ebenfalls auf Rang 9 geschoben. Was uns erstaunte: Wir nahmen dem führenden Damenteam 7 Minuten ab. Wie stark die Mixed-Kategorie besetzt ist, ist auch darin ersichtlich, dass wir mit dem 9. Rang (innerhalb der Mixed-Teams) bei den Männer-Teams auf Rang 13 gelaufen wären…

Übrigens: Die Bilder zum Bergsprint und von der Durchquerung der Uina-Schlucht sind nun aufgeschaltet.

Wenig Schlaf für den grossen Tag

Heute hatte ich schlecht geschlafen. Ich war einfach viel wach und hatte etwa nur 4 Stunden Schlaf. Vielleicht war es die Unruhe für heute, vielleicht auch der Judo-Keller, in welchem wir genächtigt hatten. Um 3 Uhr morgens wäre ich am liebsten schon los gelaufen. Aber ich war mir bewusst, wie wichtig die Ruhe ist und so rang ich mich bis 5.45 Uhr durch. Am Start bin ich immer noch müde und das bleibt auch für die ersten beiden Stunden so. Nachdem aber meine Lebensgeister erwacht sind, bin ich erstaunt, wie gut sich meine Beine anfühlen und ich laufe fast ohne Anstrengung. Es geht wie von alleine. Ein kleines Zwacken an der Achillessehen bewog mich dazu, diese zu tapen. Ich tat gut daran, wie sich später herausstellte.

Die Rappenscharte – fast wie eine Skitour

Heute stand die Rappenscharte an mit 3012 m.ü.M. – gestartet von 900 m.ü.M aus… Das Wetter meinte es heute äusserst gut mit uns und es war der Anfang eines prachtvollen Tages. Die ersten 15km waren so ein Rauf und Runter und viel davon an einem Schräghang. Die schon stark beanspruchten Waden und die Achillessehnen litten noch mehr. Nach dem ersten Verpflegungsposten ging´s dann 1200 Höhenmeter bis zum Dach der Tour hinauf. Und hinauf heisst heute gerade hinauf: Durch Gestrüpp und Geröll – es gibt kein Pardon. Auf 1800m.ü.M. stapfen wir schon im Schnee. Drei Wände türmen sich vor uns auf, bevor wir die Rappenscharte erreichen. Ein herrlicher Moment. Ich hatte das Gefühl auf Skitouren zu sein. Kurt und ich machten Witze, ob wir den die taillierten Felle hervor nehmen sollten… Wir gingen wiederum in unserem Tempo, einigermassen gemächlich, aber stetig. Oben hatten wir 0 Grad, aber dafür nicht viel Wind. Ein Klaks zu den Verhältnissen der Vortage. Hinter der Scharte wusste ich, dass es übers Geröll wieder runter gehen würde, aber ich war erfreut: es hatte eine geschlossene Schneedecke und so konnte man im Telemarkschritt die ersten paar hundert Höhenmeter runtersausen. Ein riesen Gaudi.Der ganze Abstieg mass heute 2300 Höhenmeter. Einfach unglaublich und unglaublich gerade hinunter. Wieso denn auch ein paar Schlaufen machen, wenn man schnurstraks runter kann?…

Vierradantrieb und mit der “Energia Engiadina”

Wenn es steil bergauf und runter geht, nehme ich die Stöcke zur Hand. Die Engadiner Berge haben mir viel “Energia” gegeben, aber man kann den Trainingseffekt hier mit den Stöcken noch optimieren. Die meisten Läufer haben die ganze Strecke über die Stöcke in der Hand. Kurt und ich binden aber diese bei eher flachen oder leichten Anstiegen auf den Rucksack. Erstens hat man beim Hinaufgehen mehr Kraft (als ehemalige Triathletin und vom Kajakfahren ist mir diese fast “von Hause aus” gegeben – wieso also nicht nutzen?) und beim Runterrennen kann ich die Schläge besser auffangen. Die Steingeissen gehen ja auch nicht nur auf ihren Hinterhufen….

Das tut weh…

Soviel Höhenmeter hinunter tun einfach weh. Auch mit Stöcken. Da ging’s gerade runter. Ein kleines flächeres Stück dazwischen und dann nochmals 1200 Höhenmeter hinunter. Heute schaue ich oft auf den Höhenmesser und zähle den noch zu verbleibenden Abstieg. Im Ziel plumpse ich in den vom Organisator hingestellten Liegestuhl und bin während einer halben Stunde wirklich nicht motiviert, irgend einen Schritt zu tun. Aber es geht uns gut.

Kommunikation – auch ein Schlüssel im Teamleben am Transalpine Run

Ein wichtiger Schlüssel, um ein funktionierendes Team zu haben, ist sicherlich die Kommunikation. Wenn mir etwas nicht passt (was selten vorgekommen ist), bleibe ich sachlich, aber bin ich fadengerade im Inhalt. Kurt geauso. Mir wird bewusst, wie unterschliedlich man mit einem Konflikt umgehen kann: Auf sachlicher Ebene gelöst, ist das Problem aus der Welt – und sollte es auch bleiben. Herumhirnen bringt nichts, sonst verschwendet man nur Energie und die brauchen wir am Transalpine Run definitiv für anderes. Kurt und ich machen das gut, finde ich.

… und doch ist eigentlich alles, was wir hier tun irrelevant 

Als ich so ein bisschen am Selbstbedauern bin, dass mir die Achillessehnen ein wenig weh tut, trifft es mich im Anstieg zur Rappenscharte wie ein Blitz. Ich denke an Corsin, einen jungen und talentierten Langlaufathleten aus dem Unterengadin (er ist in meiner Lauftrainingsgruppe) und schäme mich fast um meine Sörgelchen um die Achillessehne. Corsin ist im Frühjahr akute Leukämie diagnostiziert worden und er kämpft nun in ganz anderen Ligen. Und er tut dies mit einem wahnsinns Willen und einer zu beneidenden Einstellung. Im Vergleich zu Corsin sind wir hier alles Amateure und es geht bei uns eigentlich um nichts. Alles scheint irrelevant zu dem, was Corsin für einen Weg geht. Auf dem Passübergang der Rappenscharte habe ich für Corsin einen Stein mitgenommen. Darin steckt die Wildheit und Schönheit von diesem Pass. Der Stein wird morgen den Weg nach Latsch mit mir angehen und dann den Weg zu Corsin finden. 

Fazit des Tages 

Steil war es heute wiederum an der Schlüsseletappe: hoch und runter. Extrem die Wetterbedingungen: Von Schnee und Temperaturen um den Nullpunkt nach Latsch runter mit 26 Grad. Irrsinnig. Aber irrsinnig schön. Die Schlüsseletappe ist geschafft und Kurt und ich laufen auf den 8. Rang und sind nun auch auf diesem Gesamtrang. Für morgen wird sich aber nichts ändern: Wir kümmern uns nicht gross darum was um uns geschieht: Wir gehen unseren Rhythmus. Und hoffentlich morgen damit bis nach Latsch.

Herzlichst,
Fränzi und Kurt

Tag 8: Schlanders – Latsch

Samstag, 8. September 2007

Vertikaldistanz:
1817 Höhenmeter im Aufstieg
1894 Höhenmeter im Abstieg

Horizontaldistanz:
28,62 Kilometer

Unsere Laufzeit:
3 Std. 59′

Tages-Rang:   6 (Mixed Teams)
Schluss-Rang: 8 (Mixed Teams)

Totale Laufzeit: 33 Std. 14′

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Liebe Leserinnen und Leser,

Das letzte Mal….

Heute Nacht habe ich einfach wunderbar geschlafen und wachte um 5.30h fit auf für den letzten Tag am Transalpine Run. Ein gutes Omen. Der Himmel ist klar und es wird ein perfekter Abschlusstag mit warmen Temperaturen. Am Start schmetterte das letzte Mal ACDC und die Walkingstöcke fliegen auch zum letzten Mal als Airguitar in der Luft… und ab geht´s auf die letzte Etappe, die aber nicht zu unterschätzen ist: nochmals geht es 1800 Höhenmeter hinauf auf 2400 m.ü.M.. Kurt und ich starten auch beim letzten Mal ruhig. Auch am letzten Tag sollte man sich gut einteilen. Bald ziehen wir am Berg langsam an und kommen so im ganz vorderen Feld über die Göflaner Scharte. Nun das letzte Mal runter. 1900 Höhenmeter um genau zu sein. Es sind zum Glück keine Schotterpisten wie gestern, sondern Alpinwiesen, Wald- und Fahrwege. Eigentlich fast schon angenehm. Aber Latsch ist wirklich weit unten im Tal, nämlich auf 600 m.ü.M., aber das Ziel wartet in greifbarer Nähe… Es gibt in diesem Moment eigentlich nichts Schöneres als laufen. 

Flott unterwegs mit dem eigenen Körpergefühl

Kurt und ich schlagen ein flottes Tempo an. Nicht über unseren Verhältnissen, aber zügig. Ein weiteres Mal erstaunt es mich, dass mein Atem nicht keuchend ist, auch bergauf nicht. Wie schon einmal erwähnt, habe ich keine Pulsuhr und schaue spärlichst auf den Höhenmeter. Das Körpergefühl ist meiner Meinung nach eminent wichtig an diesem Lauf – gerade über 8 Tage hinweg. Man muss mit IQ laufen (um sich einteilen zu können, um die Route sich einzuprägen, um den Weg zu finden und um seine Tasche nicht im Camp zu vergessen), aber v.a. auch mit EQ (Teamwork und soziales Verhalten im ganzen Tross). So sind Kurt und ich also mit IQ und EQ ganz zügig über die Scharte gekommen und nehmen runter wieder einen Zahn raus, um Muskeln und Gelenke zu schonen. Wir haben auch gestern mit dieser Variante gut getan und so konnten wir im Gegensatz zu anderen heute Morgen noch ganz normal laufen. Meine Achillessehne hat sich auch wieder beruhigt und so können wir, als wir den Talboden erreicht haben, zum Schluss noch so richtig Gas geben. Die letzten 7 Kilometer laufen wir zackig und überholen Männerteam um Männerteam. Apropos EQ (bzw, Mangel an EQ): Ein Mann konnte es nicht ertragen, von einer Frau noch überholt zu werden und schubste mich von Hinten, als Kurt und ich vorbeiliefen. Solches gab´s bei diesem Lauf ganz selten, aber ich wünschte der betreffenden Person noch einen schönen Tag und wir würden dann im Ziel auf ihn warten… und Kurt und ich ziehen davon.

Ein Zieleinlauf, wie ich es mir niemals hätte erträumen können…

Um es vorweg zu nehmen: WIR HABEN ES GESCHAFFT. 240KM UND 14´000 HÖHENMETER ÜBER DIE ALPEN. Ich bin überwältigt. Kurt und ich finishen, so wie wir es vorgesehen hatten: gesund, zufrieden und überglücklich. Im Ziel sind die Emotionen unbeschreiblich und die Läufer fallen sich gegenseitig um den Hals. Jede/r kann stolz auf sich sein, es ins Ziel geschafft zu haben! Dass Kurt und ich dabei noch die Top Ten geschafft haben, ist eigentlich unglaublich. Die Rangliste ist noch nicht draussen, aber wir konnten, so glaube ich, unseren Platz gut verteidigen. Heute Abend bei der Pasta-Party weiss ich mehr. Lukas, Gianna mit Kindern und ihre Schwester Leta sind extra hergefahren, um unseren Einlauf mitzufeiern. Danke, das hat mich unheimlich gefreut!

Ein paar Gründe, wieso wir es geschafft haben…

1.) Durchdachtes Training, das aber v.a. durch Eines geprägt war: Die Lust am Laufen und durch die Freude an der Natur und besonders an den Bergen. Hier hat das Laufparadies Unterengadin einen Grundstein dazu gelegt.

2.) Meine Lauftechnik: Ohne grössere Beschwerden bin ich am Ziel angekommen. Ich konnte sehr ökonomisch mit meinen Kräften umgehen und diese technisch effizient beim Laufen umsetzen. Leicht und genussvoll zu laufen, ist einer der Höchstgefühle – v.a. 8 Tage lang durch die Berge.

3.) Gianna, Nicole, Familie und Freunde: Wenn sie alle nicht gewesen wären, hätten wir das nie so geschafft. Ein riesen Dank v.a. an Gianna. Sie hat den Laden zu Hause wirklich geschmissen und so konnte ich mich auf unser Geschäft und das Training konzentrieren. Auch ein riesen Dank an die Menschen, die mich unkompliziert zum Nachtessen einladen, wenn ich ausgehungert nach einem Training bei ihnen “vorbeischaute”… Dies sind alles Elemente, die das Ganze zur Vollständigkeit gebracht haben. 

4.) Unsere Sponsoren: Einen ganz herzlichen Dank für die Unterstützung und dass sie an Kurt und mich glaubten.

4.) Mein treuester Trainingsparter: Der Bordercollie Asco. Er hat unzählige Höhenmeter mit mir abgespult und wird nächste Woche wieder von der Alp zurück sein. Asco bekommt sicherlich ein Stück Extra-Wurst.

5.) Andrea: Sie mussten oft auf Kurt verzichten, als Training angesagt war.

6.) Mein Göttikind Muriel: Sie wartete geduldig – wenn ich sie denn einmal sah – bis ich von meinem Lauf zurück war. Nun habe ich Zeit. Wir werden etwas Schönes gemeinsam unternehmen und ich freue mich darauf.

… und natürlich ganz wichtig: Kurt. Kurt hatte eine zentrale Rolle bei unserem Lauf. Ob bei der Verpflegung, bei der Orientierung im Gelände und v.a als Teampartner. Danke Kurt – es war ein Mordsgaudi und es war einfach saumässig gut, mit dir zu laufen. DANKE!

Nun wird richtig gefeiert….

Es ist vollbracht und heute Abend geht´s rund: Feiern und tanzen ist angesagt. Tanzen tue ich auch wie Laufen für mein Leben gern und es war das Ziel, dies am Ende tun zu können.

Ein paar Goodies aus dem Rennen….

Wer Lust hat, kann morgen Abend nochmals im Internet vorbeischauen. Ich werde einige Gedanken an den Transalpine Run zurück werfen und ein paar “Best of” reinstellen. Denn die gibt es, das kann ich jetzt schon sagen…

Danke auch für Euer Durchaltevermögen beim Lesen der Berichte und Ihr möget grammatikalische und orthografische Ungepflogenheiten und Fehler beim Schreiben nach dem Rennen verzeihen….

Bis morgen! Herzlichst,

Fränzi

Der Tag danach

Sonntag, 9 September 2007

Liebe Leserinnen und Leser,

Heute ist ein besonderer Tag, nämlich der Tag nach dem Transalpine Run.

Ein bewegender Moment…

Kurt und ich haben auf der letzten Etappe von gestern unsere Läuferqualitäten ausgespielt und sind die letzte Etappe zügig ins Martelltal gedonnert. Der 6. Tagesrang und der 8. Gesamtrang in einem stark besetzten Feld sind der Lohn. Dies übertrifft all unsere Erwartungen und Vorstellungen. Eigentlich wäre ein Auslaufen angebracht gewesen, aber wir waren im Zielgelände andersweitig mit Feiern beschäftigt… war gut so, denn ich sollte den Cooldown noch intensivst erleben. Am Abend, nach dem wir uns dem Buffet genussvoll gewidmet hatten, gab es zuerst die Finisher T-Shirts, die fast schon in einer Zelebration übergeben wurden. Danach wurden, wie jeden Abend, die Bilder des Tages und der Video des Tages gezeigt. Anschliessend folgte ein Video-Zusammenschnitt des ganzen Rennens und dies war ein besonderer Moment: Es überwältigte mich noch einmal, wo wir überall gelaufen waren und was wir alles durchgemacht haben: Von zu überquerenden Bergbächen, durch knöcheltiefen Schlamm, über Bergsteige, durch eisige Winde und Schneegestöber, über Schneefelder und Passübergänge, durch Hochebenen und Alpwiesen, durch Lärchenwälder und stäubende Bergwege… alles war irgendwie dabei gewesen: Wetter und Gelände hätten nicht abwechslungsreicher sein können. Dies macht einen kompletten Bergläufer irgendwie auch aus: Sich anpassen können, flexibel reagieren können und sich Neuem postitiv und motiviert entgegenstellen. Die Eindrücke während der Woche waren einzigartig und etwas vom Intensivsten, was ich je erlebt habe. Kurt muss es ähnlich ergangen sein, denn in seinem Gesicht steht ein verklärtes Lächeln. Ich denke, dass ich einige Zeit brauchen werde, um das Gesehene, Erlebte und Durchgemachte wirklich realisieren zu können.

(Damit Sie auch eine andere Einsicht in die Welt des Transalpine Run bekommen, können Sie nachlesen, wie es das Team “Alpinrunner”erlebt hat.)

Tanzen, tanzen, tanzen

Nach dieser Zeremonie konnte ich mir selbst ein Versprechen einlösen: Tanzen. Wir gaben nochmals alles und zappelten bis um 1.15 Uhr nachts durch. So als hätten wir eigentlich an den letzten 8 Tagen nichts gemacht… Unheimlich, was der Körper im Flow der Glücksgefühle noch alles zu leisten vermag. Nach dem Feiern und 4 Stunden “aktivem Auslaufen einmal anders…” (ok, die Feinkoordination wies schon gewisse Mängel auf, aber man hatte ja eine gute Ausrede wegen den Beinen und so) fiel ich dann doch irgendwann todmüde in unseren Bus. Zuvor verabschiedete ich mich vom hart verbliebenden Kern der Transalpine Runners. Es war schwer, Adieu zu sagen, denn die Menschen – und besonders einige davon – sind mir während diesen Tagen ziemlich ans Herz gewachsen. Dies ist es auch, was den Transalpine ausmacht: Die Kameradschaft und entstehende Freundschaften. Es war ein Luxusschlafen mit den Polstern unseres 12jährigen Toyota-Busses und der Isomatte. Diese hatte nämlich schon die ganze Woche lang ein Loch und so erwachte ich am Morgen meist auf dem Boden….

 

Müde Beine, aber nicht vom Laufen…

Am Morgen erwachte ich gemäss Renngewohnheit um 5.30h. Dies war schon etwas wenig Schlaf. Trotzdem war ich erstaunlich wach und machte mich zum Frühstück in der Eishalle von Latsch auf. Eine Restgruppe von Läufern ist noch beim Frühstück (die anderen waren entweder in Hotels oder mussten schon auf einen Transferbus). Ich setze mich zu zwei mir noch unbekannten Läufern, die sich als Finnen herausstellen. Wir philosophieren noch übers Laufen und die letzten Tage. Der eine davon läuft noch ziemlich eckig und meint, er müsse für den nächsten Transalpine Run doch noch etwas mehr in den Bergen trainieren. Ich schlage ihm ein Trail Running Camp in der Laufschule Scuol vor… Meine Beine fühlen sich heute auch etwas schwer an, aber dies ist eher dem Tanzen und nicht dem Laufen zuzuschreiben. Kurt ist mit seiner Partnerin im Hotel und wird dort noch bis Montag verweilen und ausspannen. Recht hat er. Lukas und ich nehmen zwei Venezuelaner mit, die nach Poschiavo wollen. Zu einem Berglauf in einer Woche… Die Heimreise mit ihnen wird ziemlich unterhaltsam mit ihnen und dies sind noch einmal letzte schöne Momente des Transalpine Runs. Denn heute fehlt irgendetwas…. Keine Tasche packen, kein Getränk auffüllen, keine Schuhe schnüren, kein “habe ich denn alles dabei?”, kein Anstehen am WC, kein ACDC, kein Startschuss, kein Run…

Der menschliche Körper ist ein kleines Wunder

Wie gesagt, war das Training, die Lauftechnik und Kurt’s und meine Renneinteilung massgebend für den Erfolg des Team Engadin Scuol. Wir haben unseren Körper auf diese Belastung vorbereitet, aber ob man dem trotzdem gewachsen ist, weiss man zuvor nicht. Der Körper erweist sich als kleines Wunder in dieser Woche, denn er ist fähig, sich bestmöglichst zu regenerieren und gewöhnt sich an die Belastung. Es erstaunt mich, dass mein Ruhepuls mit 54 Schlägen/min. fast normal ist (anstatt deren 48 – dieser Messwert ist massgebend für die Belastungskontrolle bzw. für die Erholungsfähigkeit). Nun verlangt der Körper schon fast nach der Anstrengung – aber der Liegestuhl am Nachmittag in der Sonne war auch in Ordnung. Meine Füsse sind noch optimal in Form und sind zwei Stunden aus den Laufschuhe fast schon wie Babyhaut. Einzig ein Muskelansatz am Schienbein ist von Bergablaufen zu spüren. Aber wie gesagt Lapalien… Wenn es heute hätte sein müssen, wäre eine Fortsetzung des Rennens gut möglich gewesen. Der Kopf war aber auf gestern eingestellt und somit ist der Zeitplan “just right”. Ich bin mir nun aber sicher, dass ich auch Grösserem gewachsen bin – aber keine Angst (ich spreche meine Mutter, meinen Vater und enge Freunde an). Für den Moment reicht es gerade…

Ruhe finden

Es ist mir aber klar, dass mein Körper sich nun erholen muss. Monatelang habe ich Höchstleistung von ihm gefordert (wegen Geschäft und Training) mit ehrlich gesagt zu wenig Schlaf und Regenerationszeit (mein Körper hat sich übergehend darauf eingestellt – vielleicht ist mir das beim Rennen dann zu Gute gekommen..). Aber nun hat er Ruhe verdient. Das heisst nicht, überhaupt nichts mehr machen – könnte ich auch nicht. Aber alles ein wenig gemässigter und ruhiger. Es wird einige Tage dauern, bis ich wieder “runterfahren” kann und eine vollständige Erholung wird auch einige Wochen beanspruchen. Heute habe ich wirklich einmal nichts gemacht und morgen werde ich mit Asco, der zu meiner irrsinns Freude schon von der Alp heruntergekommen ist, vielleicht ein wenig locker durch die Waldweglein um Scuol mit dem MTB kurven. Ruhe ist das Gefühl, welches ich heute empfinde. Vielleicht ist es eine etwas anstrengende Methode, 8 Tage lang kreuz und quer über die Berge zu rennen, um Ruhe zu finden. Aber wahrscheinlich ist es mein Weg.

Plan B und der Transalpine Run: Organisation in Perfektion

Ist vielleicht jemand durch meine Berichte auf den Geschmack gekommen und überlegt sich eine Teilnahme an einem nächsten Gore-Tex Transalpine Run? Bei angepasstem Training und physisch entsprechenden gesunden Zustand, kann ich dies nun aus meiner eigenen Erfahrung nur empfehlen. Das Rennen ist bis zum letzten Detail perfekt durchorganisiert und lässt keine Wünsche offen. Ich darf sagen, dass ich schon viele Wettkämpfe gesehen und miterlebt habe, aber dies, was die Organisationsfirma Plan B bietet, schlägt alles bei Weitem. Ob Gepäcktransport, Essen, Streckenplanung und -durchführung, Start und Ziel, medizinische Betreuung und Bergrettung, u.v.m. bis zum Gutenachtsagen durch Jörg – da fehlte einfach nichts. Ein geniales Erlebnis mit genialer, professioneller und persönlicher Betreuung. Be there.

Fazit der Woche

Es macht sich fast schon eine leise Traurigkeit breit, wenn ich dieses letzte Fazit schreibe.

Die Woche war besonders. Einzigartig. Bergauf. Bergrunter. Verschwitzt. Verschlammt. Verschneit. Intensiv. Erlebt. Gelebt. Trail & Alpine Running pur.


Ehrlich gesagt war das “Miterleben lassen” von Euch MitlesernInnen und das von mir aus verpflichtende Gefühl gegenüber Sponsoren und Medien ein nicht einfach umzugehender Druck. Kurt und ich haben es aber geschafft, mit der ungeheurer Freude am Laufen und mit Humor (wahrscheinlich ist es schwierig sich vorzustellen, den Berg hochzurennen und einen Lachanfall zu bekommen) das Ziel zu erreichen. Danke nochmals an alle Sponsoren (insbesondere der Bank Raiffeisen für ihre grosszügige Unterstützung) und natürlich an Gianna Rauch.

In den letzten Tagen habe ich das Gefühl, über mich selbst hinausgewachsen zu sein. Es ist eindrücklich, was wir leistem können, wenn wir wollen. Und sicherlich noch eines: Das Quäntchen Glück, das es einfach im Leben braucht, war uns diese Woche sicherlich hold.

Kurt und ich sind das Rennen mit Herz, Kopf und Verstand gelaufen. Und manchmal sind wir einfach nur gelaufen. Da draussen. Ich spreche für mich (aber ich denke Kurt geht es genauso) und finde, dass ich in den letzten 8 Tagen einen Schritt weitergekommen bin. Diesmal nicht horizontal oder vertikal.

Das letzte Mal verabschiede ich mich von Euch herzlichst mit dem Transalpine Run-Tagebuch und schicke Euch liebe Grüsse.

Happy trails,

Fränzi

 

Nun noch die versprochenen “Best of Gore-Tex-Transalpine Run 2007”

Ohne Kommentar, aber wahrlich aufgeschnappt und miterlebt:

  • Frauenvorteil: „Brünzeln“ und Schuhe binden in einem – Multitasking und endlich einmal ein Frauenvorteil in diesem Belang.
  • Beobachtet bei einem Konkurrenten-Team: Beide sind im Gehschritt und wir kommen von hinten und setzen zum Überholen an. Der andere Laufpartner gibt dann seiner Laufpartnerin einen freundlichen, aber bestimmten Klaps auf den Allerwertesten und sie beginnt beschwerlich wieder zu rennen.
    Unglaublich, aber wahr – mir bleibt der Kiefer unten hängen…
  • Essen im Laufen: Von Nüssen, Bananen und Rohschinken-Käse-Sandwiches – ich bin ein echter „Fastfooder“ geworden… aber wirklich nur auf die Schnelligkeit bezogen.
  • Natürliches Auswahlverfahren: Es gibt sie halt immer, die Zwangsnörgeler, Zweckpessimisten und die mit dem etwas

grösseren Maul. Die umgeht man elegant und hält sich an die lieben,

grossherzigen und netten Menschen, die am Transalpine Run überwiegen.

Natural Selection.

  • Den Läufpulk des Transalpine Run erkennt und hört man auf den ersten

Laufkilometern jeder Etappe deutlich: das letzte Verdauen des

Morgenessen schreitet fort und die restlichen Luftmengen in den

verschiedensten Organausgängen des menschlichen Körpers werden befreit

– eine Kuhherde ist nichts dagegen… no comment.

  • It’s official: Der Begriff “Gore-Tex” ist in den offiziellen Fachjargon der Transalpine Runner-Sprache genommen worden. Aussagen wie “Na heute ist es aber wieder gore-texig” (Übers.: schlammig, matschig und nass) oder “Wo geht’s denn hier nach Gore-Tex?” (Übers.: Nirvana der Transalpine Runner – nämlich das Ziel in Latsch). Bald wird dieser Begriff in Wikipedia aufgenommen.
  • Wer

ist Egozentriker im Höchstmass und wer hat Sozialkompetenz und Empathie

– beim Anstehen zum Essen wie in den sanitären Anlagen im Camp oder

beim aufmunternden Wort unterwegs: deutlich wird, wer wo seine

Qualitäten hat – oder eben nicht…

  • Tape

bis ohne Ende: Am letzten Tag ist wahrscheinlich mehr Tape im

Läuferpulk unterwegs, als eine Grossphysiotherapie in einem Jahr

braucht.

  • Der

Rettungssanitäter erzählt, dass er schon beim Mountainbike-Transalp

dabei gewesen sei und dass dort die Biker das am Gesäss hätten, was die

Läufer beim Transalpine Run an den Füssen haben – obwohl ich da keine

Probleme habe, würde ich doch da die Füsse eher vorziehen.

  • Mir

selbst passiert: Da springe ich verletzungsfrei über Stock und Stein –

und beisse mir fast einen Zahn bei einem Stück Kern eines

Aprikosenstengels aus…

  • ACDC

sollte die Inszenierung ihres Songs am Start des Transalpine Run in

Oberstdorf miterleben. Wir würden ihnen die Show stehlen.